Auf den Vlügeln der Vogelbären

Aus: Die Presse – Rubrik INLAND
Printausgabe vom 26. Februar 2018

Seit nunmehr fünf Jahren begegnen Bildungsminister Assinger und Wissenschaftsministerin Karlich dem akuten Akademikerschwund durch die konsequente Umbenennung sämtlicher Volksschulen in Hochschulen. Die Verleihung des Masters nach der zweiten und des Doktors nach der vierten bestandenen Schulstufe hat unserem Land mit 39% Absolventen nunmehr die höchste Akademikerquote der Welt beschert.

So ist nun unter den Experten der jüngsten Jahrgänge derzeit eine heiße Debatte im Gange, ob seit der Generation Gameboy eine Unterscheidung zwischen realer und virtueller Welt noch gerechtfertigt ist. Insbesondere in den alten Biowissenschaften, den nunmehrigen Life Sciences, setzen sich zunehmend die Verfechter der sogenannten Mixed Reality durch, die keinen Unterschied mehr machen wollen zwischen fiktiven und faktischen Lebewesen. Sie berufen sich dabei auf die sehr weit fortgeschrittene Naturentfremdung der Menschheit sowie auf die Tatsache, dass es sowieso mehr erfundene als reale Lebewesen gibt. Zudem unterstützt eine breite Öffentlichkeit sämtliche Initiativen gegen Diskriminierung von Plüschtieren, Werbetieren und anderen noch bis vor Kurzem als unecht bezeichneten Tierarten derart massiv, dass eine Gleichstellung von Geschöpfen jeglicher Provenienz ohnehin unausweichlich scheint.

Der kürzlich entdeckte Lutschbonbonvogel

Der kürzlich entdeckte Lutschbonbonvogel

Während also nur noch die Ewiggestrigen nicht müde werden, den Realitätsverlust zu beklagen, ist unter den Progressiven anlässlich des kürzlich entdeckten Lutschbonbonvogels ein recht skuriller Streit darüber entbrannt, wie denn der neue Vogel, insbesondere in Beziehung zum Hustinettenbären, in die Systematik der Tierwelt einzureihen sei.

So argumentierte ein Ursologe, der Lutschbonbonvogel müsse eindeutig als Unterart des Hustinettenbären behandelt werden, weil das gemeinsame Schlüsselmerkmal zweifellos im süßen Wesen zu suchen sei und im Übrigen der Hustinettenbär entwicklungsgeschichtlich dem neuen Vogel um Einiges voraus sei.

Eine Ornithologin hingegen vertrat die Ansicht, dass ein Lutschbonbon systematisch einem Kräuterbonbon, namentlich der Hustinette, vorgeordnet wäre, weshalb selbstverständlich auch in der Tiersystematik der Lutschbonbonvogel dem Hustinettenbären übergeordnet werden müsse.

Die Redaktion spart den Leserinnen und Lesern weitere saure Drops respektive Details dieses tierischen Disputs und verweist diesbezüglich auf das von der Presse betreute einschlägige Portal im Internet.

Zweifellos hätte die Kontroverse in einem Desaster geendet, zumal vor zwei Jahren die ICZN (International Commission on Zoological Nomenclature) als ordnende Instanz aufgelöst wurde, wenn nicht eine Wiener Zuckerbäckerin gerade noch rechtzeitig vermittelnd eingegriffen hätte.

„Süß sind sie doch alle beide“, sagte sie und meinte damit den Hustinettenbären und den Lutschbonbonvogel. „Und so habe ich sie mit nur ein bisschen Phantasie zusammengebracht“, verriet uns die ehemalige Mitarbeiterin einer vor Jahren in Konkurs gegangenen Schaumbombenfabrik.

In der Tat hat die Zuckerbäckerin die heiß umkämpften Tiere zum „Vogelbären“ vermählt, in der Meinung damit auf die Beerenfrucht zu referenzieren, und produziert seit kurzem sehr erfolgreich Pralinen mit Vogelbeerschnaps. Marke „Vogelbär“.

Proteste seitens ultrareaktionärer Rechtsschreibexperten wurden entkräftet, indem der Vogelbär – korrekt gereiht vor der Vogelbeere – ebenso ins amtliche Wörterbuch aufgenommen wurde wie im Vorjahr der Flügel mit „V“.

In der zoologischen Systematik findet sich der Vogelbär übrigens nunmehr im Einvernehmen der Ursologen und Ornithologen als gemeinsamer Vorfahre des Hustinettenbären und des Lutschbonbonvogels.

Ihre Meinung bitten wir Sie an inland@diepresse.com zu senden.

 

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